Ein wahrer Hingucker: ein “textiler Thronsessel”. 😊
Wir haben begonnen, unsere neu erworbenen Schätze auszupacken. Das jüngste, aber nicht weniger wertvolle Prachtstück aus der Sammlung Elke Guthmann ist dieser bestickte Sessel.
Leider haben wir kein genaues Datum, wann dieses beeindruckende Projekt gefertigt wurde. Doch unseren Recherchen zufolge stammt es aus den 1960er-Jahren. Wer den Sessel bestickt hat, ist uns ebenfalls nicht bekannt. Doch wer ihn so professionell bezogen hat, wissen wir ganz genau: die ehemalige TAP-Werkstatt in Brakel. Vielleicht klingt Brakel für Kenner vertraut? Richtig! Ricoh – ein auch noch heute bekannter Name in der Geschichte des textilen Handwerks.
Das Motiv stellt eine Szene aus einer berühmten Reihe Tapisserien dar.
Die Dame mit dem Einhorn (französisch: La Dame à la licorne) ist der moderne Titel einer Serie von sechs Wandteppichen, die im Millefleurs-Stil (“tausend Blumen”) gestaltet und in Flandern aus Wolle und Seide gewebt wurden. Die Entwürfe (Cartoons) entstanden um 1500 in Paris.
Diese Tapisserien gelten als Meisterwerke der frühen französischen Renaissance und sind für ihre detailreiche Darstellung und symbolische Tiefe bekannt. Jeder Wandteppich illustriert eine Allegorie, die oft mit den fünf Sinnen in Verbindung gebracht wird: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Der sechste Wandteppich trägt die Inschrift “À mon seul désir”, was als Ausdruck des freien Willens oder der Liebe interpretiert wird.
Die genaue Herkunft und Bedeutung der Serie sind bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Es wird vermutet, dass die Tapisserien im Auftrag von Jean Le Viste, einem einflussreichen französischen Adligen, gefertigt wurden, da sein Wappen auf den Kunstwerken erscheint.
Das Musée de Cluny, offiziell bekannt als Musée National du Moyen Âge, beherbergt diese beeindruckenden Kunstwerke und bietet Besuchern einen tiefen Einblick in die mittelalterliche Kunst und Kultur. Die Ausstellung der “Dame mit dem Einhorn” ist ein zentrales Highlight des Museums und zieht jährlich zahlreiche Kunstliebhaber aus aller Welt an.
(Quelle: internet)
TIPP unsererseits: wir haben dieses Museum einmal im Rahmen einer unserer Stickreisen besucht. Es ist ein absolutes Highlight!!!
Wir vermuten, dass die Vorlage für das Stickmuster auf einer Stickpackung basiert. Der Untergrund besteht aus einem zweifädigen Penelope-Stramin, der im Normalfall bei solchen Packungen bereits mit feinen Details im Perlstich vorgestickt war. Der Hintergrund wird dann vom Kunden entweder im Perlstich oder Kreuzstich über zwei Gewebefäden ausgeführt.
In unserem Fall wurde der Hintergrund auf der Rückenlehne und der Sitzfläche komplett im Perlstich bearbeitet. Als Material kam Tapisseriewolle zum Einsatz. Glücklicherweise war der Sessel wohl fernab von Motten gelagert, sodass nur wenige Stiche von diesen kleinen Räubern beschädigt wurden.
Dieser “textile Thronsessel” ist ein wunderbares Beispiel für die Verbindung von hochwertiger Handarbeit und zeitlosem Design. Er zeigt, wie viel Geschichte und Liebe zum Detail in jedem Stück stecken können. Wir freuen uns, ihn in unserer Sammlung präsentieren zu können und hoffen, dass er viele Besucher inspiriert.
Habt ihr selbst Erfahrungen mit ähnlichen Stickprojekten oder kennt weitere Details zur Geschichte dieses Sesseltyps? Teilt euer Wissen gerne mit uns!